Die rheinland-pfälzische
Gefahrenabwehrverordnung über gefährliche Hunde vom 30.
Juni 2000 ist mit der Landesverfassung vereinbar. So
entschied jetzt der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz
in Koblenz.
Die Verordnung unterwirft das Halten gefährlicher
Hunde sowie den Umgang mit ihnen strengeren Anforderungen
als bisher. So wird ein Erlaubnisvorbehalt mit Sachkunde-
und Zuverlässigkeitsnachweis eingeführt. Gefährliche
Hunde müssen gekennzeichnet werden. Außerhalb des
befriedeten Besitztums besteht Anlein- und Maulkorbzwang.
Darüber hinaus werden die Zucht und die Vermehrung dieser
Tiere und der Handel mit ihnen verboten. Gefährliche Hunde
im Sinne der Verordnung sind einmal solche Hunde, die auffällig
geworden sind. Darüber hinaus gelten sämtliche "Hunde
der Rassen Pit Bull Terrier, American Staffordshire Terrier
und Staffordshire Bullterrier sowie Hunde, die von einer
dieser Rassen abstammen", als gefährlich.
Die Beschwerdeführer sind Halter bzw. Züchter
von Hunden der zuletzt genannten Rassen. Nach ihrer
Auffassung gibt es keinen sachlichen Grund, den
Anwendungsbereich der Gefahrenabwehrverordnung auf alle
Hunde dieser drei Rassen auszudehnen. Sachgerecht sei es
allein, die Gefährlichkeit des einzelnen Hundes zu
beurteilen. Die "Rasseliste" sei nur wegen einer
unseriösen Hetzkampagne der Medien zustande gekommen. Im Übrigen
bemängelten die Beschwerdeführer, dass andere ebenso gefährliche
oder gar gefährlichere Hunderassen, vor allem der Schäferhund,
nicht in die Liste aufgenommen worden seien.
Der Verfassungsgerichtshof folgte dieser
Argumentation nicht, sondern wies die Verfassungsbeschwerden
zurück.
Die Gefahrenabwehrverordnung diene dem
Ziel, die Bevölkerung besser als bisher vor den von Hunden
ausgehenden Gefahren für Leib und Leben zu schützen.
"Der Verordnungsgeber handelt damit in Erfüllung der
ihm durch die Verfassung selbst auferlegten Pflicht, sich
schützend und fördernd vor diese höchsten Rechtsgüter zu
stellen", betonten die Verfassungsrichter. Dem für die
Verordnung zuständigen Innenminister komme sowohl bei der
Beurteilung, ob eine besondere Gefahrenlage vorliege, als
auch bei der Wahl des geeigneten Mittels ein "weiter
Einschätzungs- und Entscheidungsvorrang zu". Der
Verfassungsgerichtshof habe deshalb nicht zu überprüfen,
ob der Innenminister die bestmögliche oder gerechteste Lösung
gefunden habe. Er habe lediglich darüber zu wachen, ob der
Minister die von der Verfassung gesetzten Grenzen seiner
Gestaltungsfreiheit beachtet habe. Nach diesem Maßstab sei
die beanstandete Regelung verfassungsgemäß.
So habe der Verordnungsgeber nach
Auswertung des fachwissenschaftlichen Schriftums davon
ausgehen dürfen, dass von Hunden der drei besonders aufgeführten
Rassen eine im Verhältnis zum Durchschnitt der übrigen
Hunde gesteigerte Gefahr ausgehe. Dabei habe er nicht
verkannt, dass innerhalb der Fachwissenschaft die Bedeutung
der Rasseanlagen eines Hundes für dessen gesteigerte
Aggressivität und Gefährlichkeit unterschiedlich beurteilt
wird. Auch sei nicht jeder Hund jener Rassen konkret gefährlich.
Ob ein Hund aggressiv sei, hänge auch von den Bedingungen
ab, unter denen das Trier aufgezogen und gehalten werde.
Gleichwohl gingen alle Sachverständigen davon aus, dass die
Angehörigen verschiedener Hunderassen genetisch bedingte
Unterschiede in ihrem Verhalten aufwiesen. Ein gesteigertes
Aggressionspotential werde gerade auch den drei Rassen Pit
Bull Terrier, American Staffordshire Terrier und
Staffordshire Bullterrier zugeschrieben.
Insoweit habe der rheinland-pfälzische
Innenminister nachvollziehbar auf die Zuchtgeschichte dieser
drei Rassen verwiesen. Sie gingen nämlich zurück auf
Kreuzungen englischer Hunderassen, die in der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts ausschließlich für den Kampf Hund
gegen Hund gezüchtet worden seien. Dabei sei die
Zuchtauswahl auf anhaltenden Kampfwillen bis zur Erschöpfung
auch bei schwerer körperlicher Verletzung ausgerichtet
gewesen. Vor diesem Hintergrund habe der Innenminister
denjenigen Stimmen des fachwissenschaftlichen Schrifttums
folgen dürfen, die gerade bei den drei genannten
Hunderassen ein übersteigertes Angriffs- und Kampfverhalten
festgestellt hätten.
Diese fachwissenschaftlichen
Stellungnahmen würden auch durch statistisches Material
unterstützt. Wohl seien Schäferhunde an den registrierten
Beißvorfällen zahlenmäßig stärker beteiligt als die
drei hier umstrittenen Rassen. Doch habe der Innenminister
zu Recht auf das Verhältnis dieser Zahlen zum
Gesamtaufkommen der einzelnen Hunderassen abgestellt. Dann
aber ergebe sich eine deutlich überproportionale
Auffallenshäufigkeit von Hunden jener drei Rassen. Freilich
müsse der Verordnungsgeber die Entwicklung "weiter
beobachten". Sollte sich durch entsprechende
Erfahrungen die besondere Aggressivität weiterer Rassen
herausstellen oder sollten sich insgesamt neue Erkenntnisse
zur Gefahrenlage ergeben, müsse er die Verordnung anpassen.
Den Einwand der Beschwerdeführer, Hunde
der drei Rassen dürften jedenfalls dann nicht als gefährlich
gelten, wenn ihre individuelle Ungefährlichkeit durch einen
Wesenstest nachgewiesen sei, ließen die Verfassungsrichter
nicht gelten. Die potentielle Gefährlichkeit eines Hundes
zu beurteilen, sei nach fachwissenschaftlicher Einschätzung
äußerst schwierig bis unmöglich. Auch sei eine Wesensprüfung
stets nur eine Momentaufnahme, so dass das Prüfungsergebnis
immer mit einem Restrisiko behaftet bleibe. Dies belegten
nicht zuletzt verschiedene Presseveröffentlichungen über
Beißattacken solcher Hunde, die zuvor eine Wesensprüfung
bestanden hätten. Die Entscheidung des Verordnungsgebers,
sich auf Wesenstests nicht zu verlassen, sei deshalb
rechtlich hinzunehmen.
Verfassungsgemäß sind nach Auffassung
der Richter auch die einzelnen Regelungen über den Umgang
mit gefährlichen Hunden. Die Pflicht zur Kennzeichnung des
Hundes mittels eines elektronisch lesbaren Chips ermögliche
eine bessere Kontrolle und stelle für Halter und Hund keine
übermäßige Belastung dar. Der Anlein- und Maulkorbzwang
diene einer effektiven Abwehr der von den Hunden ausgehenden
Gefahren. Den Haltern müsse zugemutet werden, innerhalb des
befriedeten Besitztums oder auf Hundesportplätzen für
freie Bewegung ihrer Hunde zu sorgen. Legitim sei schließlich
auch das Ziel des Verordnungsgebers, den Bestand an gefährlichen
Hunden in Rheinland-Pfalz zurückzudrängen. Die Regelungen
über den Erlaubnisvorbehalt mit Fachkunde- und Zuverlässigkeitsnachweis
und über Zucht-, Vermehrungs- und Handelsverbote seien
deshalb ebenfalls nicht zu beanstanden.
Aktenzeichen: VGH B 12/00, VGH B 18/00, VGB B 8/01
Leitsatz
Urteil