Redebeitrag für den Prozeß vor dem Internationalen Gerichtshof für Tierrechte in Genf am 0.05.2001 (Tierschutzverein für den Kreis Olpe e.V.)

 

Das leise Sterben der diskriminierten Hunde in Deutschland beginnt

 

Im Juli 2000 ist etwas in Deutschland endgültig zerbrochen, unwiederbringlich verloren. Deutschlands Hundehalter und Tierschützer stehen vor einem Scherbenhaufen, erfahren am eigenen Leib, was Diskriminierung bedeutet. Wir blicken im Zorn auf ein Jahr voller Unglück, Ungerechtigkeit, Kummer und Trauer zurück. Wir blicken in Verzweiflung in eine Zukunft, die schwärzer nicht sein könnte.

Zu keiner Zeit waren die verantwortlichen Politiker bereit, für die Folgen ihrer Taten gerade zu stehen. Zuerst wollte man die Hunde der diskriminierten Rassen in die Tierheime entsorgen, wie Müll, und gleichzeitig ihre Vermittlung verbieten.

Viele Tierschutzvereine weigerten sich, die Hunde aufzunehmen solange deren Vermittlung verboten war, um durch die Verweigerung dieser Entsorgungsmöglichkeit Druck gegen die Politik aufzubauen. Darauf folgten die behördlichen Euthanasiepläne einer Dr. Jahn und anderer.

Unter großem und anhaltendem Druck merkten die Politiker, dass sie diesen Weg der Massentötungen nicht einschlagen konnten.

Nun haben wir alleine in Nordrhein-Westfalen bereits über 4.500 Hunde diskriminierter Rassen in den Tierheimen, bundesweit werden es zehntausende sein. In den meisten Bundesländern dürfen wir sie theoretisch vermitteln.

Was bedeutet es, einen solchen Hund vermitteln zu wollen?

Nach einheitlicher Einschätzung der deutschen Tierheime sind die Hunde der diskriminierten Rassen zum Großteil freundlich und unproblematisch, bestens geeignet, um sich in eine neue Familie einzufügen.

Aber wer möchte einen solchen Hund?

Nur die wenigsten, denn die Gehirnwäsche der Politiker und der Medien sitzt tief im Bewußtsein der Deutschen. Jede Lüge über angebliche Beißkraft und Aggressivität ist durch permanente Wiederholung im Unterbewußtsein zu Glauben verfestigt worden.

Xenophobie - man fürchtet, was man nicht kennt. Und weil es relativ gesehen nur wenige Exemplare der gelisteten Rassen in Deutschland gibt, sitzt die Angst tief. Obwohl Deutsche Schäferhunde (bzw. deren Halter) für fast alle tödlichen Beißunfälle in Deutschland verantwortlich sind, so kennt doch jeder eine Vielzahl freundlicher Schäferhunde aus dem eigenen Umfeld, und fürchtet sie deshalb nicht.

Staffordshire Bullterrier, Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Bullterrier - diese Rassen können die Deutschen aufgrund mangelnder Erfahrung kaum unterscheiden. Hirtenhunde, Molosser würden die meisten auf der Straße nicht erkennen.
Folgerichtig wurde die unbestimmte Angst generalisiert, man fürchtet jetzt nicht nur Rassen, sondern gleich alle größeren Hunde. Auch ein Bernhardiner oder Berner Sennenhund, der nicht auf den Listen steht, ist jetzt in Deutschland schwer vermittelbar.

Es gibt nicht genug Interessenten für die diskriminierten Hunde in den deutschen Tierheimen, und es wird niemals genug geben, selbst wenn Verordnungen und Bundesgesetz morgen fallen.

Eine Rehabilitation der Hunde ist unmöglich, die Angst und die Vorurteile werden bleiben und weiterhin das gesellschaftliche Klima für alle Hundehalter vergiften. Selbst wenn wir vor den Gerichten siegen - es wird ein Phyrrussieg sein, der angerichtete Schaden läßt sich nicht wieder gut machen.

Einige wenige gibt es, die willens und geeignet sind, einen der diskriminierten Hunde aufzunehmen.

Was kommt auf einen solchen Menschen zu?

Wer einen solchen Hund aufnimmt, verliert einen Teil seiner Grundrechte, darunter das Recht auf die Unverletzlichkeit seiner Wohnung. Sollte er nicht zu den Glücklichen gehören, die ein eigenes Haus besitzen oder deren Vermieter die Haltung eines Listenhundes toleriert, verliert er diese Wohnung auch noch.

Hohe Kosten für Wesenstest, behördliche Anmeldung und "Kampfhunde"steuer entstehen. Ob er jemals den Hund mit in den Urlaub nehmen kann, ist fraglich. Dazu kommt der tägliche Spießrutenlauf mit einem verfemten Hund, die soziale Ächtung durch Mitmenschen, der Verlust sozialer Kontakte zu Freunden, Nachbarn und Verwandten.

Täglich hängt das Damoklesschwert behördlicher Willkür über diesem Menschen, denn jede Denunziation kann zu Repressalien und Verlust, sogar Tod seines Hundes führen.

Dies alles für die gesamte Lebenszeit des Hundes, für 10 oder mehr Jahre.

Wieviel kann ein Mensch ertragen?

Menschen sind nicht unbegrenzt belastbar.

Selbst wir, die wir die Hunde dieser Rassen besonders lieben, haben Verständnis für diejenigen, die sich diesem massiven täglichen Druck auf Dauer nicht gewachsen fühlen.

Wenn jemand die Zivilcourage und das Rückgrat hat und dies alles auf sich nehmen will, dann beginnt der Krieg gegen die Behörden.

Jedes Bundesland hat andere Regeln und Auflagen, wiederum in jedem Bundesland hat jedes Ordnungsamt andere Maßstäbe und Vorschriften, und zusätzlich muß jede der in den Verordnungen enthaltenen Verbindlichkeiten einzeln eingefordert werden, da kaum ein Beamter korrekt informiert ist.

Es verbessert die Vermittlungschance für die Hunde erheblich, wenn der Wesenstest bereits vor der Vermittlung vorliegt. Das Tierheim muß sich allerdings vorher überlegen, ob es dieses Risiko eingehen will, den bei einem inkompetenten Prüfer, deren es mehr als genug gibt, fallen die Hunde durch - und dann sind Vermittlung und Leben der Hunde endgültig gefährdet.

Für den neuen Besitzer gilt es eine Vielzahl von behördlichen Auflagen zu erfüllen.

Nur wenige Hunde schaffen es, alle diese Hürden zu nehmen.

Was erwartet nahezu alle Listenhunde in den Tierheimen?

Die Ausstattung der Tierschutzvereine mit personellen, räumlichen, finanziellen Ressourcen ist gering, die Unterstützung durch den Staat tendiert gegen Null.

Kein Tierheim ist auf eine langfristige art- und tierschutzgerechte Unterbringung der Hunde eingerichtet. Aufgrund der mangelnden Lebensqualität und Einsamkeit werden alle diese Hunde früher oder später anfangen, in den Zwingern zu leiden. Bewegungsstereotypien, herabgesetzter Immunstatus, psychisch bedingte Erkrankungen werden die Folge sein, bis ein Ausmaß des Leidens erreicht ist, dass den Tod zur Erlösung macht.

Wir, die wir diese Hund lieben, werden uns jeden Tag fragen müssen, ob wir noch einen weiteren Tag Leiden zulassen dürfen, in der Hoffnung, dass heute endlich ein Mensch kommt, der diesen Hund aufnimmt.

Wir, die wir bis zuletzt für diese Hunde gekämpft haben, werden auch zu ihren Henkern werden.

"Der Tod ist ein Meister aus Deutschland."

(Paul Celan)

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b>(Paul Celan)

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