Gutachten

Aus dem Institut für Haustierkunde der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Gefährliche Hunderassen?


Gesetzgebung und Biologie

von J. Redlich

(2 Abbildungen, 32 Literaturangaben)

Kurztitel: Gefährliche Hunderassen

Stichworte: Hunderasse – Gesetzgebung – Biologie – Konfliktverhalten – Kommunikation – Aggression

Zusammenfassung

Bestimmte gesetzliche Regelungen zum Schutz vor Gefahren durch Hunde machen die Gefährlichkeit von Hunden auch an rassespezifischen Kriterien fest. Die Auswahl der Rassen erscheint weitgehend willkürlich, sie lässt sich weder mit deren Entstehungsgeschichte noch mit Erhebungen über durch Hunde verursachte Schäden noch mittels verhaltensbiologischer Erkenntnisse begründen. Ethologische Arbeiten über Wölfe und verschiedene Hunderassen werden unter besonderer Berücksichtigung der untersuchten American Staffordshire Terrier vorgestellt und vergleichend diskutiert. Das soziale Potential einiger American Staffordshire Terrier und Bullterrier ist eingeschränkt, variiert jedoch auch innerhalb der Rassen stark. Die nachgewiesenen signifikanten wurfspezifischen Unterschiede bei den beobachteten American Staffordshire Terriern lassen eine pauschale Verurteilung als „gefährliche Hunderasse“ keinesfalls zu. Eine Listung „gefährlicher Rassen“ stellt den Hund als alleinigen Verursacher eines gefährdenden Verhaltens dar, ignoriert damit den entscheidenden Menscheneinfluss. Die Hundebissen zugrunde liegenden Genesen werden leider auch von den rasseneutralen Regelungen vernachlässigt. Es gibt Menschen, die weder Hunde züchten noch halten dürfen.

Abstract

>>Dangerous dog breeds?<< Legislation and biology

Specific regulations for the protection against dog attacks include breedspecific restrictions. The selection of breeds was apparently arbitrary as it was not based on the history of the breeds concerned, epidemiological studies of dog bite incidents, nor behavioural research. The social potential of some American Staffordshire Terriers and Bull Terriers is restricted, but varies within breed. The American Staffordshire Terrier exhibits significant litter-specific differences. A ban on the breed is therefore not justified. The condemnation of specific breeds as dangerous dogs ignores the human influences. Even the non-breed specific regulations neglect the varied aetiology of dog bites, and some individuals may not breed nor keep dogs.

1.      Einleitung

Die Berichterstattung in Presse, Funk und Fernsehen über Gefahren die von Hunden ausgehen bzw. über durch Hunde verursachte Verletzungen oder sogar Todesfälle von Mensch und Tier, vermittelt den Eindruck, als ob einige Hunderassen, oft als Kampfhunde bezeichnet, grundsätzlich gefährlich sind. In Deutschland begann die öffentliche Diskussion dieser Problematik etwa 1988 und führte zu einer Rechtssetzungsentwicklung, die noch keineswegs abgeschlossen ist. Ende der achtziger Jahre gab es lediglich in Schleswig-Holstein eine Regelung für die von Hunden ausgehenden Gefahren, wobei in dieser Verordnung aus dem Jahre 1976 ausschließlich rassenneutrale Formulierungen verwendet wurden. Der Versuch mittels eines Gesetzes zum Schutz von Tieren vor Missbrauch durch Aggressionszüchtung und Aggressionsdressur eine bundeseinheitliche Regelung dieser Problematik zu erreichen, misslang. Der Entwurf wurde vom Deutschen Bundestag 1992 mit der Begründung abgelehnt, dass die von Hunden ausgehenden Gefahren nicht in den Regelungsbereich des Tierschutzgesetzes einzuordnen sind, vielmehr in den Bereich des Polizei- und Ordnungsrechts fallen, für den die Länder zuständig sind. Diese Einstufung der Materie mag aus rechtlicher Sicht stichhaltig sein, führt aber zu einer künstlichen Trennung von Tierschutz und Gefahrenabwehr, die leider der häufig wechselseitigen Bedingtheit so gar nicht entspricht.

Nach dem Scheitern der Bundesratsinitiative entwarfen und erließen Bundesländer Polizei- bzw. ordnungsbehördliche Verordnungen, die wohl primär einem verbesserten Menschenschutz dienen sollten. Zunächst mussten, und müssen, die jeweiligen Hunde, für die besondere Regelungen gelten sollen, bestimmt werden. Dies kann einerseits anhand von typisierenden und gruppierenden Merkmalen, wie Rasse oder Größe, andererseits aufgrund von individuellen Merkmalen erfolgen. Die Verordnungsgeber wählten beide Wege, z. T. auch eine Kombination. Entwürfe und Landesverordnungen aus Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland machten die Gefährlichkeit von Hunden an rassespezifischen Kriterien fest. Listen der als gefährlich eingestuften Rassen haben den vermeintlichen Vorteil einer einfachen und eindeutigen Umsetzbarkeit, liefern scheinbar klare Vorgaben für die alltägliche Arbeit der Gefahrenabwehr. Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot, gleichartige Sachverhalte ohne ausreichenden sachlichen Grund nicht unterschiedlich zu behandeln (Art. 3, Abs. 1, GG), stellt sich die Frage nach der Zuordnung einzelner Hunderassen. Nach Klindt (1996) müsste einer typisierenden und generalisierenden Regelung ein überzeugender Nachweis der grundsätzlichen Schadensneigung vorausgehen, der Zuordnung müssten sichere Erkenntnisse zugrunde liegen. Freilich herrschte bezüglich der Einordnung bestimmter Rassen nicht einmal eine länderübergreifende Einigkeit, vielmehr differierten die Rasselisten von Land zu Land, was förmlich die Vermutung einer weitgehend willkürlichen Auswahl der jeweiligen Rassen provozierte.

Gegen diese Rasselisten wurde geklagt, mit unterschiedlichem Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg erklärte die Nennung einzelner Hunderassen wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3, I, GG) für nichtig, die saarländische Verordnung wurde vom saarländischen Oberverwaltungsgericht aufgehoben, Nordrhein-Westfalen änderte seine Verordnung ohne vorherigen Gerichtsbeschluss. Anders hingegen urteilte das bayerische Gericht, die bayerische Verordnung ist heute noch gültig. In der Urteilsbegründung wird argumentiert, dass eine typisierende und generalisierende Regelung im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung bereits dann zulässig sei, wenn ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine gesteigerte Aggressivität auch rassebedingt sein kann. Nach Klindt (1996) wird hier das Vorliegen einer abstrakten Gefahrenlage mit dem Vorliegen von Anhaltspunkten für eine abstrakte Gefahrenlage vermischt. In Wirklichkeit wird nur ein Gefahrenverdacht, nicht aber eine Gefahr zugrunde gelegt. Zudem müsste sich ja wohl auch eine Rassenaufzählung aufgrund dieses Gefahrenverdachtes rational begründen lassen.

Die in den letzten Jahren erlassenen Landesverordnungen verzichten überwiegend auf eine Rasseliste, die Tendenz geht aber zur Zeit wieder vermehrt in Richtung Rasseverbote bzw. – restriktionen sogar auf Bundesebene, auf kommunaler Ebene werden sowieso in einigen Städten bestimmte Hunderassen höher besteuert oder auch, beispielsweise in Frankfurt, Restriktionen unterworfen.

2.      Erkenntnisstand

Bayern und Brandenburg benennen in ihren Verordnungen zur Zeit identische Rassen, die Auswahlkriterien bleiben trotzdem weitgehend diffus. Ein mögliches Kriterium wäre der Verwendungszweck, bzw. die Entstehungsgeschichte der Rasse, da von einer Selektion in Bezug auf den Gebrauchszweck ausgegangen werden kann. In den Listen tauchen neben Rassen, deren Vorfahren auch für Kämpfe mit ihresgleichen oder anderen Tieren missbraucht wurden (Bordeauxdogge, Mastiff, Mastino Napoletano, Tosa Inu, Bullterrier, Staffordshire Bullterrier, American Staffordshire Terrier), ehemalige Jagdhunde (Dogo Argentino, Rhodesian Ridgeback, Fila Brasileiro), Herdenschutzhunde (Martin Espanol, Fila Brasileiro) und Wach- und Schutzhunde (Bullmastiff) auf (vgl. Räber, 1993, 1994). Pit Bull Terrier und Bandog werden vom VDH nicht als Rassen anerkannt, eine sichere Zuordnung anhand von morphologischen Kriterien ist nicht möglich. Wer die Rassen- bzw. Gruppenzugehörigkeit wie bestimmen soll, bleibt weitgehend unklar. Die Einbeziehung in die Listen der Verordnungen ist aber ohne eindeutige Bestimmungsmöglichkeiten sinnlos, provoziert Willkür und Streitigkeiten, so dass in diesen Fällen nicht einmal mehr von einer einfachen und eindeutigen Umsetzbarkeit der Verordnungen gesprochen werden kann.

Nach der bayerischen Verordnung wird bei den Rassen und Gruppen von Hunden sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden die „Eigenschaft als Kampfhunde“ stets vermutet (Kategorie I: Bandog, Pit Bull Terrier, American Staffordshire Terier, Staffordshire Bullterrier, Tosa Inu), bzw. vermutet, solange nicht der zuständigen Behörde für die einzelnen Hunde nachgewiesen wird, dass diese keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweisen (Kategorie II: Bullterrier, Mastiff, Bullmastiff, Mastino Napoletano, Bordeauxdogge, Mastin Espanol, Fila Brasileiro, Dogo Argentino, Rhodesian Ridgeback). Der hier benutzte Begriff Kampfhund wird auch in den Medien als unstrittig und bekannt vorausgesetzt, eine Definition liegt dieser Suggestion freilich nicht zugrunde. Aus der Entstehungsgeschichte der jeweiligen Rassen, ihrem ehemaligen Verwendungszweck, lässt sich die Zuordnung keineswegs ableiten. Andernfalls müssten wohl alle Abkömmlinge von Herdenschutzhunden, von Jagdhunden, die für die Jagd auf sogenannt wehrhafte Tiere erzüchtet wurden und von Wach- und Schutzhunden den gefährlichen Hunden zugerechnet werden. Auch wenn man zusätzliche allgemeine Kriterien, etwa die Größe, mit heranzieht, verlieren die Listen diesbezüglich nichts von ihrer Willkür, müssten vielmehr um etliche Rassen ergänzt werden.

Ein weiteres mögliches Auswahlkriterium wäre eine statistisch abgesicherte Häufung von Zwischenfällen an denen Hunde bestimmter Rassenzugehörigkeit beteiligt sind. In Deutschland wurden seit Anfang der neunziger Jahre Erhebungen über durch Hunde verursachte Schäden in recht unterschiedlicher Weise durchgeführt. Meist liegen Schäferhunde und Schäferhundmischlinge klar an der Spitze der Listen, die Rassen vom Pit Bull Typ sind selten vertreten, die gelisteten Molosser, also die molossoiden Rassen, werden kaum genannt (u. a. Deutscher Städtetag, 1992, 1997; Unselm et al., 1993). Das Zahlenmaterial lässt keine Negativschlüsse bezüglich der in den Verordnungen gelisteten Rassen zu (Hamann, 1997). Dies gilt umso mehr als keine der aus Deutschland Statistiken die von Hahn und Wright (1998) für eine rassespezifisch aussagefähige Erhebung geforderten drei Punkte erfüllt. Danach muss als Mindestanforderung erstens die Rasseidentifizierung eindeutig zuverlässig sein. Die Zahl der Vorfälle muss zweitens jeweils in Bezug zur Gesamtzahl der jeweiligen Rasse im berücksichtigten Gebiet gesetzt werden. Und drittens müsste die Situation spezifiziert werden, da möglicherweise bestimmte Rassen nur in bestimmten Situationen gefährlich sind. Über die Begründung des letzten Punktes ließe sich streiten, wichtig wäre die Erfassung der Situation zur Beantwortung der Frage, ob der Hund sich situationsadäquat verhalten hat oder nicht. Zudem könnten Rassen in Erhebungen überrepräsentiert sein, weil bestimmte Rassen vermehrt von verantwortungslosen Menschen gehalten werden, und weil möglicherweise bereits die Erfassung der Vorfälle nicht zufällig, geschweige denn vollständig ist, die Wahrscheinlichkeit des Bekanntwerdens eines Schadens also bereits von der verursachenden Rasse abhängt (Lockwood und Rindy, 1987).

Es gibt keine Statistik, die all diese Faktoren berücksichtigt. In einigen Studien wurde zumindest ein Bezug zur wahrscheinlichen Gesamtzahl der Rassen im untersuchten Gebiet herzustellen versucht. Folgende Rassen waren überproportional häufig an Beißvorfällen beteiligt: Pit Bulls, Chow Chows, Deutsche Schäferhunde und Dobermänner (Miller, 1986), bzw. in Toronto Deutsche Schäferhunde, Pit Bull Terrier, Rottweiler, Collies, Dobermänner, Deutsche Doggen und Pudel (Bandow, 1997), und schließlich in Brisbane u. a. Deutsche Schäferhunde und Bullterrier (Podberseck und Blackshaw, 1993).

In den genannten Erhebungen wurden sämtliche bekannt gewordenen Vorfälle unabhängig vom resultierenden Schweregrad der Schädigung einbezogen. Die in den letzten Jahren in Deutschland durch Hunde herbeigeführten Todesfälle von Menschen verursachten ebenfalls keineswegs in deutlicher Häufung Hunde der in den Verordnungen gelisteten Rassen, etliche von ihnen traten diesbezüglich gar nicht in Erscheinung, während beispielsweise die nicht aufgeführte Rasse Rottweiler mehrmals beteiligt war. Amerikanische Erhebungen über durch Hunde verursachte Todesfälle von Menschen bestätigten die Beteiligung von ungelisteten Hunderassen und Mischungen, beispielsweise von Chow Chows, Nordlandhunden, Rottweilern und Wolf-Hund Hybriden (u. a. Sacks et al., 1989, Lockwood, 1995; Rieck, 1997).

Festzustellen bleibt: Keine der vorliegenden statistischen Erhebungen kann die Rasselisten begründen, keine erfüllt auch nur die Minimalanforderungen, die eine Aussage über rassespezifische Gefährlichkeit ermöglichen würden.

Bliebe das letztlich wohl beste Auswahlkriterium, nämlich rassespezifische Merkmale, ein nachgewiesenermaßen inadäquat häufiges, bzw. besonders ausgeprägtes aggressives Verhalten bestimmter Rassen.

2.1.  Eigene Untersuchung

Ethologische Daten sind nur für einige wenige der gelisteten Rassen verfügbar. Im Rahmen des verhaltensbiologischen Hunderassenvergleichs wurde auch die frühe Verhaltensontogenese von American Staffordshire Terriern analysiert (Redlich, 1998). Im Hinblick auf die Frage nach gefährlichen Hunderassen scheint insbesondere ihr Aggressionsverhalten von Interesse zu sein. Eine isolierte Betrachtung des aggressiven Verhaltens ist aus biologischer Sicht jedoch nicht hilfreich. Angriffsverhalten ist in Konfliktsituationen zwar eine mögliche, aber keinesfalls unausweichliche Verhaltensstrategie. Kampfverhalten ist mit Risiken verbunden, die bei sozialen Tieren durch Verhaltensweisen,
- muster und Taktiken, die die Häufigkeit und Kosten von aggressiven Auseinandersetzungen gering halten, begrenzt werden. Hierzu gehören Territorialität, Individualdistanz, Droh- und Imponierverhalten, Demut- und Beschwichtigungsgebärden, Dominanzbeziehungen und Rangordnung und schließlich weitgehend ungefährliche Kampfformen, beziehungsweise ein abgestuftes Repertoire, so dass zunächst Verhaltensweisen mit geringem Aufwand und Risiko eingesetzt werden, eine Eskalation des Kampfes nur bei ausbleibendem Erfolg zu beobachten ist (Immelmann et al., 1996).

Wechselbeziehungen bestehen auch zu den artspezifischen Mitteln, konfliktbeladene Situationen zu meiden oder ihnen entgegenzuwirken. In diesen Bereich gehören Verhaltensweisen und –muster, denen eine Bindungsfunktion zuzusprechen ist, da ja das Bindungsverhalten selektiv die Bereitschaft zum agonistischen Verhalten, also Angriffs- und Fluchtverhalten senkt. Diese Wechselbeziehungen verdeutlichen, dass die isolierte Betrachtung des aggressiven Verhaltens einer Art, Rasse oder eines Individuums zur Charakterisierung nicht ausreicht. Hierfür muss das gesamte Verhalten, gemeint sind insbesondere die sozialen Tendenzen der Individuen in verschiedenen Situationen, berücksichtigt werden.

2.1.1.      Ergebnisse

Das Konfliktverhalten der American Staffordshire Terrier ist von besonderem Interesse. Für die Analyse standen drei Würfe mit insgesamt 21 Welpen eines Züchters (Mitglied im VDH) zur Verfügung. Der Zugang zu unbelebten Ressourcen blieb über den gesamten Beobachtungszeitraum (Geburt bis zum 50. Lebenstag der Welpen) konfliktfrei, die beobachteten agonistischen Auseinandersetzungen waren weder futter- noch objektbezogen. Die relativen Häufigkeiten agonistischer Interaktionen, bezogen auf alle Interaktionen der jeweiligen Würfe, unterscheiden sich zwischen dem ersten und den anderen beiden Würfen signifikant (Abb. 1; Mann-Whitney U-Test, p<0,01). Diese höheren Anteile des agonistischen Verhaltens der Würfe 2 und 3 beruhten nicht auf einigen wenigen besonders aggressiven Welpen, sondern verteilten sich auf alle möglichen Dyaden. Beim ersten Wurf gab es hingegen acht Dyaden, dies entspricht 22,2 % der möglichen Dyaden, ohne agonistische Auseinandersetzungen. Agonistik konnte nach einleitendem Konfliktverhalten eines Welpen, nach einseitigen Spielaufforderungen bzw. entsprechender Nichtbeachtung von Distanzierungsversuchen anderer Welpen und besonders häufig nach vorangegangenem Spiel beobachtet werden. Die Entwicklung des prozentualen Anteils der Übergänge vom Sozialspiel zum agonistischen Verhalten, bezogen auf das gesamte Sozialspiel differierte zwischen dem ersten und den anderen beiden Würfen signifikant (Abb. 1; Mann-Whitnex U-Test p<0,01).

Ein häufiger Übergang vom Spiel zur Agonistik schränkt möglicherweise den Beitrag des Sozialspiels zur Bildung und Aufrechterhaltung der Sozialbeziehungen im Sinne von Feddersen-Petersen (1994) ein. Die Verbesserung sozialer Kommunikation, die Kontrolle der eigenen Aggression und die Entwicklung sozialer Bindungen durch das Spiel (vgl. Immelmann, 1988) sind beeinträchtigt. Das Bindungsverhalten war bei American Staffordshire Terrier Welpen auch in Form der sozialen Annäherung selten, wobei die Welpen des ersten Wurfes ihre Interaktionen signifikant häufiger mit der Verhaltensweise Lecken und mit Schnauzenkontakten einleiteten (Mann-Whitney U-Test, p<0,01). Diese höheren Anteile des Kontaktverhaltens können durchaus im Sinne einer gegenseitigen Bestätigung friedlicher nichtaggressiver Stimmung mit dem geringeren Anteil an Agonistik dieses Wurfes in Verbindung gebracht werden.

Die Welpen des ersten Wurfes beendeten ihre agonistischen Interaktionen in Einzelfällen auch durch Demutsverhalten, beispielsweise wurde auf ein rein optisches Drohen mit nach vorne gerichtete Ohren, faltiger Stirn, Fixieren und Vornzähneblecken, durch Kopfabwenden mit nach hinten angelegten Ohren reagiert, worauf sich der zuvor drohende Welpe mit entspannter Mimik abwandte. Meist konnten jedoch weder während, noch am Ende der agonistischen Auseinandersetzungen Zeichen der Unsicherheit oder der Unterlegenheit beobachtet werden. Nahezu alle agonistischen Interaktionen gingen mit Knurren, Bellen oder Knurrfauchen einher, ein rein optisches Drohen war äußerst selten. Langdauernde Drohrituale gab es nicht, obwohl die mimischen und gestischen Möglichkeiten hierfür durchaus vorhanden waren, im Spiel in entsprechend abgewandter Form auch eingesetzt wurden. Die Bereitschaft zur spielerischen Kommunikation überstieg die Bereitschaft zur aggressiven Kommunikation bei weitem, ein Zeichen für relativ hohe Aggressivität.

Die American Staffordshire Terrier Welpen zeigten selbst bei der Kontaktaufnahme und im Spiel mit adulten Hündinnen kaum submissive Elemente, ganz im Gegensatz zum Welpenverhalten anderer Rassen, beispielsweise Weimaranern (Dürre, 1994), bei denen eine Abgrenzung von Spiel, Futterbetteln und Unterwerfung nicht immer möglich war. Aktive Unterwerfung trat bei Weimaraner Welpen sowohl nach rauer Behandlung seitens der Mutter als auch spontan ihr gegenüber auf. Submissive Elemente waren typisch für das Verhalten der Wolfswelpen gegenüber den älteren Wölfen (Zimen, 1971; Fox, 1971).

Die American Staffordshire Terrier Welpen konnten durchaus aktive Unterwerfung mit den entsprechenden mimischen und gestischen Elementen in einer adäquaten Situation, nämlich der Konfrontation mit einem älteren, fremden Hund zeigen, wie die entsprechende Beobachtung bei den Welpen des ersten Wurfes beweist. Die Seltenheit dieses Verhaltens belegt somit ihre geringe Unterwerfungsbereitschaft sogar gegenüber den adulten Hunden. Vielmehr wurden selbst die Hündinnen von den Welpen in Konfliktsituationen angedroht oder auch gebissen. Zeichen einer überwiegenden Ausweichtendenz waren eher selten zu beobachten, obwohl einzelne submissive Elemente von allen Welpen gezeigt wurden. Die Kommunikationsbereitschaft war bei durchaus vorhandenen Kommunikationsmöglichkeiten herabgesetzt.

Diese Tendenz zur Reduktion der Kommunikation steigerte sich bei bestimmten Interaktionen zwischen den Welpen und Hündinnen bis hin zum scheinbar willkürlichen Kommunikationsabbruch seitens der Hündinnen. Dieses manipulierende Verhalten unterschied sich sowohl vom Sozialspiel als auch von der Agonistik durch eine mangelhafte bzw. fehlende Abstimmung des Hündinnenverhaltens auf das jeweilige Verhalten der Welpen. Die Hündinnen beknabberten die Welpen, schoben oder stiegen sie mit dem Schnauzenrücken um, schlugen mit den Pfoten nach ihnen, nahmen sie zwischen die Vorderbeine und fixierten sie mit den Pfoten, angelten nach Welpen, zogen sie an einem Vorderbein hoch und drehten oder warfen sie dadurch auf den Rücken. Nach diesem Umhebeln und dem Umstoßen zeigten die Welpen durchaus passive Unterwerfung, wurden aber meist von den Hündinnen durch Schnauzenstoßen, Beknabbern, Beißen und Schieben zur Aufgabe der Rückenlage gezwungen. Beim zweiten Wurf traten triadische Interaktionen sowohl nach Einmischung des Welpen als auch der Mutter auf. Die Mutter beteiligte sich insbesondere nach Fiep- und Schreilauten eines Welpen. An diesem Welpen konnten dann gleichzeitig die Mutter und ein anderer Welpe in entgegengesetzte Richtungen ziehen.

Die Hündinnen integrierten Spielbewegungen, das Verhalten der Welpen war jedoch keinesfalls spielerisch. Individuell unterschiedlich trat bei den Welpen in diesem Kontext einerseits Demutsverhalten, überwiegend Fiepen, Schreien, Ducken und die erzwungene passive Unterwerfung, andererseits aggressives Verhalten auf. Aggressives Verhalten beendet oder unterbricht im allgemeinen das Spiel, führte hier jedoch nicht zwangsläufig zum Abbruch des manipulierenden Verhaltens. Die Welpen probierten im Verlauf derartiger Sequenzen gewissermaßen ihre Möglichkeiten der Distanzierung durch, ohne dass ihnen letztendlich ein wirksames Verhaltensprogramm verfügbar war, da ihre Signale von den Hündinnen nicht adäquat beantwortet wurden.

Formal dem Verhalten der Hündinnen weitgehend entsprechende Sequenzen zeigen Caniden gegenüber kleinen Beutetieren (Fox, 1969). Das manipulierende Verhalten oder auch „Hantieren“, das von George (1995) für Bullterrier beschrieben wurde, glich weitestgehend einem Beutespiel, die Beute war hier allerdings ein Sozialpartner. Es trat eine Entkoppelung in Bezug auf die Zuordnung zu bestimmten Funktionskreisen auf, Beutefang einerseits und Sozialverhalten andererseits. Somit handelte es sich um eine situationsinadäquate Verhaltensauffälligkeit, eine Verhaltensstörung im Sinne von Buchholtz (1993). Unter durchaus vergleichbaren Haltungsbedingungen trat diese Störung nur bei bestimmten Rassen, Bullterrier und American Staffordshire Terrier, auf. Nach Patterson et al. (1989) spricht dies für eine genetisch bedingte Störung, eine Ethopathie.

Die Ausprägung dieser Störung war graduell sehr unterschiedlich, beispielsweise zeigte eine American Staffordshire Terrier Hündin dieses Verhalten in abgeschwächter Form erst ab dem 43. Lebenstag der Welpen, hingegen schleuderten einzelne der von Schleger (1983) beobachteten Bullterrierhündinnen ihre Welpen meterweit. Zudem fehlte bei einigen Bullterrierhündinnen das Pflegeverhalten fast vollständig, ein Verhaltensausfall, der weder bei Bullterriern aus anderer Zucht (George, 1995) noch beim American Staffordshire Terrier (vgl. Redlich, 1998) beobachtet wurde. Der Verhaltenskatalog der American Staffordshire Terrier war recht vollständig, allerdings zeigten sie einige Verhaltensweisen, insbesondere aus den Kategorien Flucht-, Meide- und Demutsverhalten recht selten.

2.1.2.      Diskussion der Befunde und Ausblick

Aufgrund der interindividuellen und vor allem der wurfspezifischen Verhaltensunterschiede bei den beobachteten American Staffordshire Terriern, die sich nur durch genetische Einflüsse erklären lassen, da ja die Aufzuchtsbedingungen für die drei Würfe nahezu identisch waren, ist ein Rasseverbot, bzw. eine Einordnung als gefährliche Hunderasse nicht zu rechtfertigen. Vielmehr sollte der Prädisposition für aggressives Verhalten, der Tendenz zur Reduktion der Kommunikation sowie der Verhaltensstörung durch biologisch sinnvolle Selektion begegnet werden.

Nach heutigem Erkenntnisstand sind Verordnungen, die pauschal Rassen verurteilen, verhaltensbiologisch unbegründet. Selbst die Gefahrenvermutung, dass erhöhte Aggressivität rassebedingt sein kann, welche dem Urteil zur bayerischen Verordnung zugrunde liegt, lässt sich so nicht aufrechterhalten. Zunächst müsste erhöhte Aggressivität definiert werden. Nach Feddersen-Petersen (1997b) ist unter einer Hypertrophie im Bereich des Aggressionsverhaltens ein allgemein übersteigertes Angriffs- und Kampfverhalten zu verstehen, das aggressive Kommunikation überwiegend ausschließt und relativ schnell zur Eskalation, zu Beschädigungskämpfen mit Artgenossen und Menschen führt. Allgemein übersteigert heißt: Ein inadäquates, der Situation nicht angemessenes, also biologisch unangebrachtes, qualitativ wie quantitativ sehr ausgeprägtes und verändertes Aggressionsverhalten, gepaart mit etlichen Verhaltensausfällen und –einschränkungen, biologisch weder vom Ziel noch von der Funktion her einzuordnen. Ein derartig übersteigertes Aggressionsverhalten wurde bislang für Kreuzungen, von ihren Haltern als Pit Bull Terrier bezeichnet, belegt (Feddersen-Petersen, 1994), wobei zur unbiologischen, streng einseitigen Selektion auf Angriffs- und Kampfbereitschaft, eine gestörte Jugendentwicklung sowie eine Aggressionsdressur hinzukamen. Symptome von Übersteigerungen sind in stark abgeschwächter Form, wie beschrieben, bei bestimmten Zuchten der Rassen American Staffordshire Terrier und Bullterrier (Schleger, 1983) vorhanden. Die sozialen Tendenzen variieren aber innerhalb der Rassen sogar unter nahezu identischen Aufzuchtbedingungen signifikant, die Hunde gleicher Rassenzugehörigkeit, ja selbst aus einer Zucht, bilden keine homogene Gruppe. Bliebe also die Gefahrenvermutung, dass erhöhte Aggressivität zuchtbedingt sein kann, womit bezüglich der Definition „gefährlicher Hunde“, auf die die jeweilige Verordnung anzuwenden wäre, die zweite, überwiegend in den Landesverordnungen auch angewandte, Möglichkeit angesprochen wäre: die Definition über abstrakte Tatbestandsmerkmale.

Als gefährliche Hunde im Sinne der Verordnung über das Halten von Hunden in Berlin, vom 5. November 1998, gelten Hunde, die

1. wiederholt in gefahrdrohender Weise Menschen angesprungen haben

2. wiederholt Wild, Vieh, Katzen oder Hunde gehetzt oder gerissen haben,

3. sich gegenüber Mensch oder Tier als bissig erwiesen haben,

4. auf Angriffslust oder über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft, Schärfe oder andere in der Wirkung gleichstehende Zuchtmerkmale gezüchtet oder trainiert wurden.

Diese vier Punkte tauchen in ähnlicher Formulierung in den anderen Landesverordnungen auf. Brandenburg spezifiziert die Punkte 1 und 3 dahingehend, dass nur ein entsprechendes, unprovoziertes Verhalten zur Einstufung als gefährlicher Hund führt.

In jedem Fall bleibt die Notwendigkeit einer Interpretation dieser unbestimmten Tatbestandsmerkmale. Wann ist ein Hund bissig, was heißt wiederholt, was ist ein gefahrdrohendes oder auch aggressives Anspringen? Ein Hund der Menschen bei deren Begrüßung anspringt kann durch dieses Verhalten im Einzelfall durchaus gefährden, grundsätzlich gefährlich ist er deshalb nicht (Feddersen-Petersen, 1995). Und natürlich muss wiederum erhöhte Aggressivität oder eine über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft definiert werden. Aus juristischer Sicht sind derartige unbestimmte Tatbestandsmerkmale für das Gefahrenabwehrrecht ein durchaus typischer Zuschnitt, der wie immer eine Prognose des Gefahrenpotentials und der Schadenneigung erfordert (Klindt, 1996). Eben für diese Gefahrenprognose, die Beurteilung eines bestimmten Hundes, geben die Verordnungen lediglich Hinweise, was einerseits positiv ist, da so die aus rechtlicher Sicht abschließende Definition gefährlicher Hunde noch individuell differenziert angewandt werden kann. Andererseits besteht das Problem, die Gefährlichkeit eines Hundes gerichtsfest zu ermitteln, nur dann sind die Verordnungen wirklich anwendbar. Zudem konnten die Polizei- und Ordnungsbehörden bereits vor deren Erlass gegen gefährliche Hunde weitgehend entsprechende Maßnahmen ergreifen (Klindt, 1996). Gestützt auf die jeweiligen landesrechtlichen Generalklauseln des Sicherheitsrechts und flankiert vom jeweiligen Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsvollstreckungsrecht ständen sich in der Intensität steigernde Eingriffsmöglichkeiten vom Leinen- über den Maulkorbzwang bis hin zur Haltungsuntersagung zur Verfügung. Klindt (1996) sieht den einzigen rechtstechnischen Fortschritt in der Bußgeldbewehrung. Insgesamt drängt sich ihm der Eindruck auf, dass sich hinter dem normativen Eifer nicht zuletzt ein sicherheitspolitischer Aktionismus verbirgt, der zwar entschiedenes Eingreifen suggeriert, aber im Verwaltungsvollzug mehr Probleme schafft denn löst. Letzteres bezieht er vor allem auf die Möglichkeit, die Haltung von gefährlichen Hunden erlaubnispflichtig und abhängig von einem Sachkundenachweis zu machen, da es sich hierbei um ein sehr aufwendiges schwerfälliges Verfahren handelt. Auf die Problematik der gerichtsfesten Bestimmung gefährlicher Hunde wurde ja bereits verwiesen. Wenn deshalb letztlich von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht würde, fiele der praktische Nutzen der Verordnungen noch geringer als ohnehin schon aus.

Hinzuzufügen wäre, dass dann nicht nur eine wirksame Grundlage zur Gefahrenabwehr (vgl. Feddersen-Petersen, 1997a) nicht genutzt würde, vielmehr gerade jene Maßnahmen entfielen, die nicht primär den Hund selbst betreffen. Denn leider stellt ja nicht nur die Listung „gefährlicher Rassen“ den Hund als Verursacher eines gefährdenden Verhaltens in den Mittelpunkt. Auch die rasseneutralen Regelungen erwecken überwiegend den Eindruck, dass vor allem der jeweilige Hund ein Problem ist, gegen welches vorgegangen werden muss, vernachlässigen damit den entscheidenden Menscheinfluss.

Hundlichen Übergriffen auf Menschen liegen in der Hauptsache folgende Genesen zugrunde Feddersen-Petersen, 1995):

1. Soziale Unsicherheit, unzureichende Umweltangepasstheit:

Negative Erfahrungen und insbesondere Schäden durch Erfahrungsentzug infolge fehlender sozialer Reise, sogenannte Deprivationsschäden, beispielsweise durch reine Zwingerhaltung, können zu relativ rasseunabhängigen, oftmals hochstabilen Entwicklungsschäden führen (Feddersen-Petersen, 1992, 1995). Aggressives Verhalten aus der Defensive heraus ist für Hunde aus Zwingeraufzucht typisch (Feddersen-Petersen, 1995).

Die in den Landesverordnungen zur Gefahrenabwehr vorgesehenen Maßnahmen sind kontraindiziert. Ein verordneter Leinen- und Maulkorbzwang wäre im Falle von sozial unsicheren Hunden nicht nur tierschutzrelevant, sondern würde letztlich die Symptomatik verschlimmern und die ansonsten durchaus mögliche Eingliederung in einen Sozialverband zumindest erschweren, wenn nicht gar verhindern. Freilich erfordert die Haltung derart geschädigter Hunde, neben viel Geduld und Zuwendung, Kenntnisse im Umgang mit sozial gestörten Hunden (Feddersen-Petersen, 1995). Der in einigen Landesverordnungen geforderte Sachkundenachweise berücksichtigt die speziellen Anforderungen solcher Hunde wohl höchstens am Rande. Eine wirksame Prophylaxe ist nur durch ein Verbot der ausschließlichen oder überwiegenden Zwingeraufzucht und letztlich wohl nur durch Züchterlizenzen mit anschließender Überwachung zu erreichen.

2. Unerfüllte besondere Umweltansprüche, nicht rassegerechte Haltung von Hunden:

Werden Hunde mit besonderen Ansprüchen, beispielsweise Jagdhunde, Schlittenhunde oder auch Wach- und Schutzhunde reizarm gehalten, ohne entsprechenden Freiraum und körperliche Auslastung, so versagen etliche Bewältigungsstrategien, was zu Verhaltensstörungen führen kann. Kommt es zu einer Entkoppelung des Verhaltens in Bezug auf die Zuordnung zu bestimmten Funktionen, so resultiert daraus situationsinadäquates, und damit häufig auch gefährdendes, zudem kaum einschätzbares Verhalten des Hundes. Gelten nun Hunde aufgrund ihrer Rassezugehörigkeit grundsätzlich als gefährlich, wird dementsprechend ein genereller Leinenzwang verordnet, so verursacht eben diese Maßnahme möglicherweise erst die Gefahr. Etliche Hunde verhalten sich angeleint untypisch aggressiv oder ängstlich insbesondere Artgenossen gegenüber, was Beißereien provozieren kann (Feddersen-Petersen, 1997a). Die Unterbindung der arttypischen Kommunikation kann zu Verhaltensfehlentwicklungen führen. Ständiges Anleinen ist zudem tierschutzrelevant, da weder dem Bewegungsbedürfnis des Hundes noch seinem Bedürfnis der Informationsaufnahme und –vielfalt entsprochen wird.

3. Schutzhunde, insbesondere bei falscher oder/und abgebrochener Ausbildung:

Welpen und Junghunde bedürfen der Rangeinweisung. Sozial expansive Hunde, die in labilen Rangverhältnissen leben, beißen oft vermeintlich niederrangige Familienmitglieder, Kinder sind besonders gefährdet. Zwangsmaßnahmen sind häufig notwenig. Eine Rangumkehr ist oft nicht möglich, weshalb auch die Abgabe des Hundes an kundige Menschen zu erwägen ist, da sich solche Hunde anderen Haltern gegenüber durchaus unterordnen können, sich die Gefährlichkeit auf eine ganz bestimmte Hund-Halter-Beziehung beschränkt. Das in einer bestimmten Situation beobachtbare Verhalten eines Hundes ist ja nicht beliebig extrapolierbar, es muss keineswegs individualtypisch sein (Feddersen-Petersen, 1995).

4. Schutzhunde, insbesondere bei falscher oder/und abgebrochener Ausbildung:

Inwieweit die Ausbildung zum Schutzhund im Rahmen des Hundesports eine Gefährdung darstellt, ist noch nicht nachgewiesen. Insbesondere aber eine aus lernbiologischer Sicht ungenügende oder auch eine abgebrochene Ausbildung sind als Gefahrenpotential nicht zu unterschätzen. Die Bereitschaft zu aggressivem Verhalten in sozialen Auseinandersetzungen und als Mittel der Verteidigung bei Angriffen gehört zum Hundeverhalten. Hunde sollten und können jedoch lernen, dass aggressives Verhalten gegenüber Menschen nicht erlaubt ist. (Feddersen-Petersen, 1997a). Eine Schutzhundausbildung fördert dieses Lernziel sicher nicht. Ginge es tatsächlich nur um die Interaktion mit dem Hund, um ein gewisses Training, gäbe es längst viele Alternativen, vom Breitensport über die Begleithundeprüfung bis hin zu Agility-Wettbewerben. Die Hauptproblematik liegt beim Menschen, der den sogenannten scharfen Hund will. Diesbezüglich besteht oft eine Verbindung zu.

5. Fehlentwicklungen im Sozialverhalten durch fehlgelenkte Zuchtauswahl:

Fehlentwicklungen im Sozialverhalten können durchaus zuchtbedingt sein. Einzelne Züchter verschiedenster Rassen selektieren unbestrittenermaßen auf Angriffsbereitschaft, nur gilt dies nicht für ganze Rassen. Rassen zu verurteilen, weil bestimmte Züchter ihre Hunde missbrauchen, ist unsachlich, entspricht weder dem Kenntnisstand noch dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Feddersen-Petersen, 1997b). Züchterisch bedinger Aggressionssteigerung sollte durch konsequente Anwendung des Paragraphen 11 b des Tierschutzgesetzes begegnet werden. Hilfreich wären zudem die bereits angesprochenen Züchterlizenzen und Wesensprüfungen zur Zuchtauswahl, da Fehlentwicklungen auch auf einer mangelhaften selektiven Berücksichtigung des Verhaltens beruhen können. Schutzhundeprüfungen sind keine Wesensprüfungen.

Leinen- und Maulkorbzwang für Hunde aus fehlgelenkter Zucht bzw. nach fehlgelenkter Ausbildung sind zum Schutz von Mensch und Tier oft notwendig, können aber für den betroffenen Hund tierschutzrelevant sein. Hunde leiden, weil Menschen sie ohne vernünftigen Grund zu einer Umweltgefährdung machen (Feddersen-Petersen, 1997a).

Dies gilt auch für 6. den Missbrauch von Hunden als Kampfhunde im eigentlichen Wortsinn:

Diese Hunde sind in der Regel keiner Rasse zuzuordnen, die äußere Erscheinung variiert. Zur Selektion auf Angriffsbereitschaft kommt die gestörte Jugendentwicklung, die Hunde werden meist früh isoliert und zudem entsprechend konditioniert. (Feddersen-Petersen, 1995).

Das Sozialverhalten von Kampfhunden im eigentlichen Wortsinn ist oft schwer gestört, Tierschutzrelevanz ist mit einer kaum einschätzbaren Gefährdung gekoppelt, denn dass hier keinesfalls von verantwortungsbewussten Hundehaltern auszugehen ist, versteht sich von selbst. Freilich dürfen in diesen Fällen vor allem Menschen gefährdet sein, die diese Hunde beschlagnahmen und begutachten müssen, Kontakte mit der Öffentlichkeit werden aus guten Gründen eher gemieden. Letzteres gilt allerdings nicht, wenn derartige Hunde zum Personenschutz gebraucht, dann auch noch mannscharf, wie es so schön heißt, gemacht werden. Der Übergang vom Hundesport zum Missbrauch von Hunden kann fließend sein.

Die Neuerungen der Verordnungen greifen in diesem Zusammenhang kaum. Die Untersagung der Haltung eines Hundes oder gar die Erlaubnis nach Sachkundenachweis helfen nicht weiter, wenn diese Menschen immer wieder neue Hunde missbrauchen. Die Verbote der Hundehaltung beziehen sich aber zunächst nur auf bereits als gefährlich eingestufte Hunde. Auch der Satz in der rheinland-pfälzischen Verordnung, der die Heranbildung gefährlicher Hunde durch Zuchtauswahl, Aufzucht, Haltung oder Ausbildung verbietet, hilft in diesem Zusammenhang nicht weiter, da eine Zuwiderhandlung lediglich eine Geldstrafe nach sich zieht. Es gibt Menschen, die weder Hunde züchten noch halten dürfen (Feddersen-Petersen, 1997a)

3. Schlussbetrachtung

Die Diskussion über gefährliche Hunde müsste vielmehr eine Diskussion über gefährdende Hundehalter sein. Diese Tatsache tritt leider selbst bei den rasseneutralen Verordnungen viel zu wenig in den Vordergrund. Ein Leinenzwang nützt wenig, wenn der leinenführende Mensch im Zweifelsfall gar nicht oder zu spät eingreift. Eine Erhebung in Toronto ergab beispielsweise, dass von 179 Hundebissen, die auf öffentlichem Gelände registriert wurden, 123 (=69 %) auf ungeleinte Hunde zurückzuführen waren (Bandow, 1996). Entscheidend ist auch hier wieder der Hundehalter, dessen Einschätzung der Situation, seine Einflussmöglichkeit und –bereitschaft auf den Hund bestimmen letztlich auch die Gefährlichkeit des Hunde-Halter-Gespanns. Rasseverbote bzw. –restriktionen helfen nicht weiter. Eine Ambulanz in Schottland musste während eines Zeitraumes von drei Monaten vor und nach Erlass des Dangerous Dogs Act jeweils 99 Hundebisse behandeln, vor Erlass bissen drei Pit Bull Terrier, nach Erlass bitten fünf Pit Bull Terrier (Klaassen et al., 1996). Ein Erfolg war in Anbetracht der wenigen Bisse von Pit Bulls natürlich auch gar nicht zu erwarten.

Hundebissen liegen viele verschiedene Ursachen zugrunde, einfach Lösungen gibt es nicht, die Rassezugehörigkeit ermöglicht keine Gefahrenprognose. Gegenmaßnahmen müssten den Ursachen entsprechend differenziert konzipiert und angewandt werden, wobei gerade ein verbesserter Tierschutz vorbeugend wirksam sein könnte, während Leinen- und Maulkorbzwang zwar zur Gefahrenabwehr im Einzelfall erforderlich sein können, als generelle Zwangsmaßnahmen für jeden auffällig gewordenen Hund oder etwa gar für Angehörige bestimmter Rassen schon aus tierschützerischen Gründen abzulehnen sind, zumal die Symptomatik hierdurch oft nur verschlimmert wird.

Die Benennung gefährlicher Hunderassen stellt den Hund als alleinigen Verursacher der Gefahr dar. Die vermeintlich einfachste Lösung ist keine. Der in den Medien benutzte Begriff Kampfhund sagt biologisch wenig aus. Die Kampfhunde-Diskussion beschäftigt sich primär mit einem soziologischen Problem, dass sich mittels Rasseverboten bzw. –restriktionen nicht lösen lässt. Die Berichte in den Medien brandmarken sogenannte Kampfhunde meist als hochgefährliche Killerbestien. Gerade diese Berichterstattung über „Kampfhunde“ macht die entsprechenden Rassen für Menschen interessant, die mit einem möglichst gefährlichen, oder zumindest furcheinflößenden Hund ihr Image aufpolieren wollen.

Aufgrund der pauschalen Verurteilung werden hingegen verantwortungsvolle Halter dieser Rassen öffentlich beschimpft, müssen mit Restriktionen oder sogar Wohnungskündigungen rechnen, was zur vermehrten Abgabe dieser Hunde führt. Vernünftige potentielle Hundehalter wollen jedoch oft mit dem Negativimage dieser Rassen nicht in Verbindung gebraucht werden, so dass diese Hunde nur noch schwer zu vermitteln sind, in zunehmender Zahl im Tierheim oder bei völlig ungeeigneten Menschen landen, hierdurch Schaden und damit wirklich gefährlich werden. Die Verurteilung von Rassen verschärft, ja verursacht so erst die Problematik, gegen die angeblich vorgegangen werden soll. Die Benennung von gefährlichen Hunderassen zur Gefahrenabwehr ist nicht nur biologisch unbegründet und nutzlos, sie ist kontraindiziert.

Dank

Ich danke Frau Dr. Dorit Urd Feddersen-Petersen für die Durchsicht und Kommentierung des Manuskripts, für Ihre vielseitigen Anregungen und Ermutigungen, nicht nur zu dieser Publikation.

Literatur

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Anschrift der Verfasserin:

Dr. Jutta Redlich, Institut für Haustierkunde, Olshausenstraße 40, 24118 Kiel.

 

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